Ihr Lieben,
lange habe ich nichts mehr von mir hören lassen. Ich bin ein wenig untergetaucht. Ich musste mir viele Dinge durch den Kopf gehen lassen. Viele dieser Dinge waren zerstörerischer Natur, zum Teil sehr destruktiv. Aber nicht alles, was zerstört ist, ist auch beklagenswert. Es gibt auch positive Brüche zu vermelden. So merkwürdig das auch klingen mag.
Und wo wir gerade beim Thema merkwürdig sind:
Ich machte mir in letzter Zeit viele Gedanken um das Thema „Gefühle“.
Ich beschäftige mich jetzt seit über 16Jahren mit dem Thema Psychologie und jeder Einsteiger in die Psychologie erfährt über Gefühle zwei Dinge:
- Es gibt keine guten oder schlechten Gefühle.
- Gefühle sind nicht rational erklärbar.
Klingt in der Theorie supergut, ist aber in der Umsetzung deutlich schwieriger, denn es gibt einfach Gefühle, die von unserer Gesellschaft nicht toleriert oder akzeptiert werden. Wir werden von klein auf dazu angehalten, nur die „guten Gefühle“ zu zeigen. Man darf fröhlich, glücklich, zufrieden, dankbar, voller Liebe und ausgeglichen sein.
Was ist aber mit Gefühlen wie Wut? Scham? Zorn? Eifersucht? Neid? Missgunst? Unzufriedenheit? Stolz? Trauer?
Sie gelten als nicht vorzeigbar. Sie sind die schwarzen Schafe der Emotionen.
Wir werden dazu angehalten, diese Gefühle zu unterdrücken, sie nicht zu zeigen oder gar auszuleben.
Das Problem bei Emotionen ist nur, dass sie sich nicht einzeln unterdrücken lassen. Ich kann nicht die ganzen negativen Emotionen unterdrücken und nur die Positiven fühlen. Das funktioniert einfach nicht. Alle Gefühle sind eins und wenn du eins unterdrückst, dann unterdrückst du sie alle. So einfach ist das.
Das hat zur Folge, dass überall Menschen herumlaufen, die sich zwanghaft einreden, glücklich zu sein und sich gleichzeitig fragen, warum sie andauernd ins Bad rennen müssen, um alleine zu heulen.
Ich war in den letzten Wochen voller negativer Gefühle. Und ich bin es noch. In mir toben Wut, Trauer, Schmerz, Überforderung usw. Lauter Gefühle, die sich einfach nicht in der feinen Gesellschaft verkaufen lassen.
Und trotzdem ich mich seit so vielen Jahren schon mit Psychologie beschäftige und so viele tolle Theorien kenne, habe ich versucht, die Gefühle zu unterdrücken. Ich schämte mich ihrer und habe mich deshalb zurückgezogen.
Wie so viele andere gehe auch ich davon aus, dass ich mit diesen Gefühlen nicht liebenswert bin und mich mit ihnen nicht zeigen darf. Mein eigener Anspruch sagt mir, dass ich immer fröhlich, lustig, heiter und unbeschwert sein soll. Aber wer kann das bitte jeden Tag leisten?
Ich kann es nicht und ich kenne auch niemanden, der das kann.
Die Folgen meiner Unterdrückungsaktion waren für mich verheerend. Ich wurde krank und nahezu handlungsunfähig. Jeder Gedanke, mich um irgendetwas zu kümmern, war und ist mir eine Last. Alles scheint zu viel zu sein, ich habe alle Aktivitäten auf ein Minimum reduzieren müssen.
Es gibt keinen rationalen Grund, warum es ausgerechnet JETZT zu diesem inneren Stillstand kommt. Ich hatte im Laufe des vergangenen Jahres einige Momente, in denen ich es viel eher verstanden hätte. Aber ich habe sie mit Bravour gemeistert und überstanden. Dieses Mal ist es anders. Das ist ärgerlich – für mich, weil ich nicht das leisten kann, was ich möchte und für euch, weil ihr nichts mehr zu Lesen von mir bekommt.
Ich habe mich dazu entschlossen, den aktuellen Zustand mit euch zu teilen – auch wenn er mir sehr peinlich und unangenehm ist. Es ist ein Versuch. Ich zeige mich nicht gerne in Momenten der Schwäche. Aber vielleicht hilft es, aus dem Loch herauszukommen. Mal sehen. Ich halte euch auf dem Laufenden.